„Kunst, die Brücken baut“

Ganz schön was los war am Donnerstag im Gewölbekeller des Hemsbacher Schlosses. Knapp 70 Menschen drängelten sich da im historischen Untergeschoss des Verwaltungsgebäudes und bildeten so die perfekte Kulisse für eine besondere Ausstellung, wie Kurator Rainer J. Roth bei seiner Begrüßung verriet: Die Schlossgalerie könne damit gleich ein dreifaches Jubiläum feiern, sei es doch die fünfte Ausstellung in der Reihe „Kunst inklusiv“, es würden Kunstwerke vom 25. Kunst- aktionstag gezeigt, und schließlich sei es die 75. Ausstellung seit dem Start der Galerie im Jahr 2009.

Doch nicht nur diese runden Jahreszahlen bewegten den Mentor der Ausstellungsreihe. Es sei ihm auch eine „ganz besondere Herzensangelegenheit“, den Werken von Menschen mit Handicap eine Plattform geben zu können. Deshalb erlaube er sich zudem eine ganz persönliche Bemerkung: „Eigentlich hätte ich diese heute gerne mit Hans-Jochen Hüchting eröffnet. Er war immer Motor für Kunst inklusiv und ist leider vor dem letzten Kunstaktionstag überraschend verstorben“, berichtete Rainer J. Roth sichtlich bewegt.

Zum fünften Mal ist am Donnerstagabend die Ausstellung in der Reihe „Kunst inklusiv“ im Hemsbacher Rathaus eröffnet worden. | Foto: Weinheimer Nachrichten | Erich Rathgeber

Barrieren verringern

Eine Plattform zu schaffen für „Kunst, die Brücken baut“, bezeichnete dann Pilgerhaus-Vorstand Uwe Gerbich-Demmer als eines der Anliegen der Initiative „Kunst und Diakonie“, die gemeinsam von der evangelischen Kirche, dem Gemeindebauverein Lützelsachsen sowie dem Pilgerhaus Weinheim gegründet wurde und im nächsten Jahr bereits den 20. Kunstaktionstag er mögliche. Diese würden jedes Jahr dazu beitragen, gesellschaftliche Barrieren zu verringern, die die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft erschwerten.

Wichtig sei dem Pilgerhaus, Begegnungsflächen zur Verfügung zu stellen, in denen sich Menschen mit Wertschätzung und Respekt auf Augenhöhe begegnen könnten, in einer Atmosphäre der Offenheit und gegenseitiger Achtung. Die Kunstaktionstage ermöglichten dies in besonderer Art und Weise. Dabei seien Menschen eingeladen, miteinander zu malen, gleich ob sie aus einer Einrichtung kämen oder in einer eigenen Wohnung lebten. Es gehe um das gemeinsame Arbeiten unter der Anleitung einer Künstlerin. „Wir wollen damit Barrieren im öffentlichen Leben und in den Köpfen abbauen, Begeisterung wecken und zeigen, dass Menschen mit Behinderung Menschen sind wie du und ich“, schloss Uwe Gerbich-Demmer. Wie der jüngste Kunstauktionstag, an dem die ausgestellten Werke entstanden sind, im Einzelnen ablief, beschrieb Dr. Renate Breithecker, Diplom-Soziologin und Vorsitzende des evangelischen Gemeindebauvereins Lützelsachsen.

Nachdem die Initiative Jana Bissdorf als anleitende Expertin ausgewählt und alle notwendigen Materialien besorgt waren, konnte es im April des Jahres mit 29 Teilnehmern losgehen. Durchaus knifflig sei die Aufgabe gewesen, die ihnen die Heidelberger Künstlerin gestellt habe.

Das Thema lautete: „Suchen und Verstecken“ und war nach genauer Taktung auf einer weiß angestrichenen Holzplatte umzusetzen. Dazu gab es zunächst schwarze Stifte, um etwas zu zeichnen, danach dann schwarze Acrylfarben, mit denen alles wieder übermalt und damit versteckt werden sollte. Im nächsten Schritt wurde noch Bauschaum als plastisches Element angemalt und aufgeklebt und damit erneut zuvor Gemaltes überdeckt. Für die finale Aktion bekamen die Teilnehmer schließlich noch Farbstifte, um ein wenig Farbe ins Spiel zu bringen – allerdings nur eine pro Bild.

„Erstaunlich kreativ und individuell“, so Dr. Renate Breithecker, seien die Ergebnisse gewesen: „Es entstanden mehrschichtige, monochrome Kunstwerke, die sich sehen lassen können“, sagte die Gemeindebauvereinsvorsitzende und forderte die Besucher auf, „sich die Bilder noch einmal genau anzuschauen, um die verschiedenen Schichten und das, was versteckt wurde, zu entdecken“.

Mehrere Schichten überlagern die Werke, die jetzt in der Galerie im Schloss ausgestellt sind. Das Thema lautete: „Suchen und Verstecken“. | Foto: Weinheimer Nachrichten | Erich Rathgeber

Einzigartige Werke

Das taten dann alle, darunter auch Wilfried Bootz und Thorsten Nesselhauf vom ebenfalls unterstützenden Lions Club Weinheim. In der Tat üben die laut Kurator Rainer J. Roth „sehenswerten und einzigartigen Werke“ durch ihre unkonventionelle Kombination von Materialien und Farben einen schwer beschreibbaren Reiz auf den Betrachter aus. Eine besondere Note erhielt die Sonderausstellung auch dadurch, dass die über drei Stockwerke verteilten Bilder von den Künstlern selbst vorgestellt wurden und dabei auch so manches „Aha“ zu hören war.

Artikel in den Weinheimer Nachrichten (November 2011):